Zwischen Nationalsozialismus und Widerstand –
Stauffenbergs Enkel berichtet von seinem Großvater
Zwischen Nationalsozialismus und Widerstand –
Stauffenbergs Enkel berichtet von seinem Großvater
»Stauffenberg zu heißen ist kein Privileg, sondern eine Verpflichtung«, so Karl Graf Stauffenberg, Enkel des Mannes, der am 20. Juli 1944 Hitler versucht hat, zu töten. An einem kalten Tag im Februar ist der Enkelsohn des Offiziers Claus Schenk Stauffenberg von der Friedrich-Naumann-Stiftung der Einladung von Frau Rogers gefolgt und hat der neunten Jahrgangsstufe in einem 90-minütigen Vortrag von seinen Erfahrungen mit dem Erbe seines Großvaters berichtet. Er schuf damit eine interessante Alternative zum alltäglichen Geschichtsunterricht.
Begonnen wurde mit einem kleinen Gedankenspiel. Stauffenberg bat alle Schüler, sich hinzustellen. Nacheinander setzten sich diejenigen, die außerhalb Deutschlands, Bayerns, des Landkreises Erlangen-Höchstadt geboren wurden. Schließlich blieben nur wenige, wie er es nannte, »Bio-Höchstädter« übrig. Die Frage lag auf der Hand: Wo beginnt Rassismus? Schon an den Grenzen Höchstadts?
Schließlich wurde der Vortrag mit allgemeinen Informationen über Offizier Stauffenberg fortgeführt. Als Sohn eines Oberhofmarschalls geboren, wuchs er in einem Schloss auf. Er verlebte eine sorgenfreie Kindheit, bis 1914 der erste Weltkrieg begann. Stauffenberg entschied sich dazu, die Militärlaufbahn einzuschlagen. Der Idee einer Demokratie in Deutschland nach 1918 war Stauffenberg wohl nicht wohlgesonnen, bezeichnete er diese sogar als »Laberverein«. Sein Enkel verdeutlicht, dass damals viele Königstreue der Meinung waren, Deutschland sei nicht bereit war für die Demokratie.
Deswegen war Stauffenberg 1933 auch nicht beunruhigt, als die NSDAP mit Hitler als Reichskanzler an die Macht kam. Deutschland litt unter den Auflagen des Versailler Friedensvertrages. Die Arbeitslosigkeit war auf einem Rekordhoch. Die Menschen hatten Hunger und Hitlers Versprechungen auf Arbeit und Wohlstand klangen gut.
Doch dann begann der zweite Weltkrieg und Stauffenberg wurde 1943 nach Afrika versetzt. Dort lernte er Generaloberst Erwin Rommel kennen, ein Mann, der vermutlich schon damals einer Widerstandsgruppe angehörte. In einer Schlacht verletzte sich Stauffenberg schwer: er verlor ein Auge, die rechte Hand komplett und zwei Finger an der linken. Nach seiner Genesung wurde er in den Generalstab befördert, was ihn näher an Hitler heranbrachte. Außerdem trat er in eine Widerstandsgruppe ein. Er schrieb den Plan >Operation Walküre<, der die Vorkehrungen im Falle von Hitlers Tod diktiert, zugunsten der Widerstandsgruppe um. Danach legte Stauffenberg Hitler den Plan vor. Hitler unterschrieb, ohne das Papier gelesen zu haben.
Der Enkel stockt an dieser Stelle. Er sieht ins Publikum und sagt langsam, „Mein Großvater war nicht allein, aber er war einer der Wenigen, die sich so nahe an Hitler bewegten. Deswegen hat wahrscheinlich auch er den Anschlag verübt. Man muss klar sagen: all denjenigen, die das Attentat im Hintergrund vorbereiteten, war klar, dass sie nicht als Helden in die Geschichte eingehen würden, sollte es funktionieren. 1944 glaubten noch rund 70% an einen Sieg Deutschlands. Wenn das Attentat erfolgreich gewesen wäre, weil Hitler stirbt, dann wären die Mörder Hitler gleichzeitig die Verräter Deutschlands gewesen.“ Trotz dieses Wissens, dieser Last entschied sich jeder dazu, genau das zu tun, sagt er dann.
Karl von Stauffenberg sieht seinen Opa nicht als Helden oder einen, wie er sagt, „Menschen ohne Fehler.“ Dennoch hebt er hervor, habe er für sein Umfeld, ein Land, ja, sogar Europa Verantwortung übernommen. Für ihn ist es mühsam der Inhaber eines solchen Nachnamens zu sein. Lieber hätte er seinen Opa einfach nur als einen solchen kennengelernt.
Und am Ende schlägt Karl Graf Stauffenberg eine Brücke in die Gegenwart. Als Liberaler in der Politik engagiert er sich gegen Extremismus jeglicher Art. Er will uns vor allem bewusst machen, dass in einer Demokratie kein Wert wertvoller ist als die Freiheit – ein Gut, dass seinem Großvater nicht zuteilgeworden ist. Und die, so sagt er, ist kein Selbstläufer, sondern muss aktiv gepflegt werden, damit die Demokratie Bestand hat. Es hört sich an wie ein leiser Appell an uns, genau das zu tun. Denn obwohl es für uns selbstverständlich erscheint, frei zu sein, sei es bzgl. der Religion, unserer Meinung, oder im Leben, ist dieser Zustand bei weitem nicht die Norm.
Ana Lankes in Zusammenarbeit mit Nicole Rogers