
Mein Gender und Ich –
die neueste Produktion des Mittel- und Oberstufentheaters
Am 26. und 27. März 2025 spielte die Theatergruppe der Mittel- und Oberstufe unter der Leitung von Christian Plätzer in der Aula des Gymnasiums Höchstadt die Uraufführung des Stücks „Mein Gender und Ich“ von Kathrin Klein, welche auch Teil des Ensembles war.
“Sehr geehrte Damen und Herren sowie alle dazwischen und außerhalb” mit dieser Begrüßungsformel beginnt der Disclaimer im Programmheft. Er greift damit schon die Hauptproblematik des Stückes auf, nämlich Genderidentitäten und Rollenerwartungen in der heutigen Gesellschaft.
“Mein Gender und Ich” zeigt anhand der Geschichte von Stacy/Ian lehrreich die vielschichtigen Herausforderungen, mit denen ein junger Mensch konfrontiert wird, der sich in seiner Geschlechtsidentität unsicher ist.
Die Aufführung beginnt mit einer authentischen Pausenhof-Szene. Es fällt schnell auf, dass alle Schauspieler auf der Bühne im Hintergrund sitzen, selbst wenn sie nicht in der Szene auftreten. Dieses eher moderne Konzept passt gut zum Stück, da es alle Darsteller:innen beteiligt wirken lässt und die Bühne ausfüllt, ohne viele Requisiten zu benötigen.
Die Darstellung der Hauptfigur Stacy / Ian durch die Zwillinge Rahel und Aaron Blumenthal ist besonders gut gelungen. Sie zeigen die Facetten des Charakters sowie die innere Zerrissenheit des jungen Menschen exzellent auf, da der Charakter in einen weiblichen und männlichen Part geteilt ist. Die Interaktion der beiden Hälften in einer Spiegelszene sticht insbesondere heraus, da sie hier ein Selbstgespräch miteinander führen und es zum Tausch von Stacy zu Ian kommt. Die Gefühle der Hauptperson werden sehr eindrücklich durch die jungen Schauspieler:innen dargestellt. Auch im weiteren Verlauf des Stückes wird die Thematik überzeugend und nachvollziehbar durch Monologe von Ian, in welchen er verschiedene Haltungen kritisiert, aufgezeigt.
Auch die Schauspieler:innen, die mehr als eine Rolle spielen (Anne Platzöder, Richard Thiel und Johanna Sperber) zeigen gute Leistungen durch klare Unterschiede in Spiel und Kostüm und lassen somit keine Verwirrung aufkommen, welcher Charakter in welchem Moment dargestellt wird.
Alle Darsteller:innen spielen ihre Rollen ausdrucksstark, insbesondere die Punkerin Jess (Ida Stierhof). Sie wird deutlich lauter und heftiger als der Rest des Ensembles dargestellt, was einerseits gut zum Charakter passt, andererseits im Gesamteindruck stark auffällt.
Die Bühnentechnik punktet ebenfalls. Die Techniker (Leonik Riege, Marvin Heienbrock und Patrick Köstner) setzen die Beleuchtungsakzente sehr gut und verstärken hiermit die Atmosphäre des Stücks hervorragend. Auch die Aufteilung der Bühne in einen rechten Bereich mit Sofa und einen mittleren Bereich mit Stühlen fällt in Kombination mit dem “Einfrieren” der Schauspieler:innen auf und schafft eine klare Differenzierung zwischen Schulszenen und Abschnitten zuhause und bei der Psychologin.
Das Thema Gender sorgt oft für heiße gesellschaftliche Debatten. Bereits der Disclaimer zu “Mein Gender und Ich” weist daraufhin, dass Charaktere bewusst stereotypisiert werden, um Kritik zu äußern. Dies hilft, um die Grundbotschaft des Stückes zu vermitteln, dass jede Person so akzeptiert werden sollte, wie sie sich fühlt. Außerdem können mehr Menschen in den eher allgemein gehaltenen Szenen Elemente aus ihrem Leben entdecken, wie zum Beispiel das Pausenhofspiel, welches bei vielen Schüler:innen bekannt ist. Auch die Sitzverteilung in den Klassen-Szenen ist ziemlich oft in der Realität ähnlich bis gleich. Solche Faktoren schaffen einen Realitätsbezug, welcher dazu einlädt, darüber nachzudenken, ob eine ähnliche Geschichte auch in unserem persönlichen Umfeld geschehen kann und wie wir selbst reagieren würden.
Die Stereotypisierung schafft aber eben auch Probleme, da die Nebenrollen dadurch nur oberflächlich gehalten werden und extreme Reaktionen zeigen. So wirken eigentlich alle Charaktere bis auf Stacy/Ian und Jess dem Thema eher bis stark abgeneigt und verkörpern hiermit die kritischen und negativen Stimmen, welche ein Coming-Out begleiten können. Jess ist die einzige positive Reaktion, welche aufgrund ihres starken Überschwangs jedoch eher Druck und Spannung auf Stacy/Ian ausübt. Durch die Stereotypen fehlen die Zwischentöne und die Individualität der Charaktere außerhalb der extremen Spektren, welche dem Stück noch mehr Tiefgang und Authentizität verleihen und Fehldeutungen vermeiden würden.
Zudem werden viele Begriffe wie genderfluid, bigender oder pansexuell verwendet, aber nicht erklärt. Um das Stück besser zu verstehen, wären Erklärungen dazu aber sinnvoll. Dazu kommt, dass es sich bis auf einige nicht erläuterte Fachbegriffe nur auf die Mann-Frau-Ebene konzentriert und weitere mögliche Geschlechtsidentitäten wie non-binär außen vorlässt. Im Kontext wären diese allerdings eine Alternative, welche die Kernaussage des Stückes noch greifbarer machen würde.
Alles in allem liefert die Theatergruppe mit “Mein Gender und Ich” einen sehr gut gespielten und wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte, der genau zeigt, weswegen Aufklärung über das Thema (Trans-)Gender so wichtig ist und warum trotz oft lautstarker Kritik zu diesen Angelegenheiten nicht geschwiegen werden sollte.
Kiara Birkner